Zahlreiche Studien wurden durchgeführt, um die Beziehung zwischen Hörverlust und Demenz bei älteren Patienten zu bewerten. Diese Studien zeigen, dass ältere Menschen mit Hörverlust verglichen mit Menschen mit normalem Hörvermögen eine sehr viel höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, im Laufe ihres Lebens eine Demenz zu entwickeln.
In einer der ersten Studien, die 1989 veröffentlicht wurden, verglichen Richard Uhlmann und seine Kollegen 100 demenzkranke Probanden mit 100 Probanden ohne Demenz (Kontrollgruppe), die das gleiche Alter, Geschlecht und Bildungsniveau hatten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Hörverlust bei älteren Erwachsenen zu kognitiven Störungen beitrug: je stärker der Hörverlust, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Demenzerkrankung. Die ausführliche Analyse der Daten zeigte, dass der Anteil an Patienten mit Demenz, die vermutlich auf den Hörverlust zurückzuführen war, bei 32% liegen könnte. Die Studie zeigte außerdem, dass der Hörverlust mit einer reduzierten kognitiven Leistung verbunden war, sogar bei Patienten, die nicht an Demenz litten.
Dr. Uhlmanns Arbeit betont, dass Ärzte bei der Diagnose der Demenz insbesondere auf das eventuelle Vorhandensein einer Hörbehinderung achten sollten. Parallel hierzu kann die Hörbehinderung ein wichtiger Risikofaktor für die Demenz und kognitive Störung sein. Wenn dies der Fall ist, würde eine Korrektur der Hörbehinderung, zum Beispiel durch Hörgeräte, das Fortschreiten der Demenz nicht verhindern, könnte aber die Symptome der Krankheit deutlich verbessern. So wäre die Korrektur der Hörbehinderung eine vielversprechende Behandlungsmethode für die kognitive Störung bei älteren Menschen, insbesondere da es zurzeit keine alternativen Mittel gibt, um den Verlauf häufig vorkommender Demenzerkrankungen, wie zum Beispiel Alzheimer, zu verändern.
Frank Lin, Facharzt für HNO und Epidemiologie an der Johns Hopkins School of Medicine, und sein Team führten eine umfassendere Studie durch, in der sie 639 Patienten 18 Jahre lang beobachteten. Keiner der Probanden litt zu Beginn der Studie an einer kognitiven Beeinträchtigung, auch wenn einige von ihnen eine mehr oder weniger schwere Hörminderung aufwiesen. Während der 18-jährigen Beobachtung wurde bei 58 der 639 Patienten eine Demenz diagnostiziert. Verglichen mit Probanden mit normalem Hörvermögen hatten die Patienten mit leichtem, mittelschwerem und schwerem Hörverlust jeweils ein 2-, 3- bzw. 5-fach erhöhtes Risiko, eine Demenz zu entwickeln.
Selbst nach Berücksichtigung anderer Faktoren, die mit dem Demenzrisiko in Verbindung gebracht werden, unter anderem Diabetes, Bluthochdruck, Alter, Geschlecht und Herkunft, standen Hörverlust und Demenz weiterhin in einem deutlichen Zusammenhang.
Die Ergebnisse der Lin-Gruppe wurden in einer neueren Studie von Gallacher et al., die 2012 veröffentlicht wurde, bestätigt. In dieser Studie wurden 1057 Männer über einen Zeitraum von 17 Jahren beobachtet. Der Hörverlust wurde zu Beginn der Studie und nach 9 Jahren bewertet. Sowohl Kognition und Demenz wurden beurteilt. Die Autoren fanden einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Hörverlust und der Demenz sowie dem Abbau kognitiver Fähigkeiten. Für jede 10 dB (A) des zunehmenden Hörverlusts verglichen mit dem normalen Hörvermögen in diesem Alter erhöhte sich das Risiko, eine Demenz zu entwickeln, um das 2,7-fache. Ein interessantes Ergebnis war auch, dass der Zusammenhang zum kognitiven Abbau stärker war, wenn die Tests während einer persönlichen Befragung anstelle per Computer durchgeführt wurden. Auch wenn der Grund für den Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen unbekannt ist, vermuten die Wissenschaftler, dass eine allgemeine Pathologie beide verursachen kann oder dass die Anstrengung, Geräusche über die Jahre hinweg zu dekodieren, das Gehirn von hörgeschädigten Menschen überfordert und sie daher anfälliger für eine Demenz macht. Sie mutmaßen zudem, dass der Hörverlust zur Demenz führen könnte, weil die Betroffenen oft gesellschaftlich isoliert werden - ein bekannter Risikofaktor für Demenz und andere kognitive Störungen.
Der Grund für die Beziehung zwischen Hörverlust und Kognition ist nicht bekannt. Die Wissenschaftler formulierten in Gesprächen, dass eine allgemeine Pathologie der Grund für beide Gesundheitsprobleme sein könnte. Sie legen nahe, dass die Betroffenen anfälliger für eine Demenz werden, weil der Hörverlust über die Jahre hinweg so viel „Gehirnleistung“ fordert, um Geräusche in nützliche Informationen zu verwandeln. Dazu kommt, dass wir uns mit zunehmendem Hörverlust gesellschaftlich zurückziehen, weniger unter Menschen kommen und damit seltener Gespräche führen. Einer der größten Risikofaktoren für Demenz ist die gesellschaftliche Isolierung.
Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass es möglich ist, das Einsetzen der Demenz durch einfache Mittel wie Hörsysteme und die sorgfältigere Prävention, zum Beispiel durch Gehörschutz, und Früherkennung des Hörverlusts zu verzögern.
Ein wichtiger Faktor kann auch die Art und Weise sein, wie Hörsysteme verwendet und programmiert werden und wie gut die Beratung für Hörgeräteträger durch Fachärzte ist.