Tinnitus äußert sich meist in einem lästigen Pfeifen, Piepen oder Brummen. Unter Tinnitus versteht man die Wahrnehmung von Geräuschen ohne eine dafür verantwortliche äußere Schallquelle.
Fast jeder hat ihn schon mal gehabt, denn bei einem Großteil der Bevölkerung tritt der Tinnitus nur kurzzeitig auf und verschwindet innerhalb von Minuten wieder von selbst. Bei ca. 10 Prozent der Betroffenen in Deutschland bleibt der Tinnitus länger als 6 Monate bestehen. Dann sprechen Experten von einem chronischen Tinnitus. Ein Teil der Tinnitus-Patienten, etwa 2,4 Prozent der Bevölkerung, leiden stark unter der Erkrankung. Bei ihnen ist aufgrund des Tinnitus die Lebensqualität eingeschränkt, es treten als Folge Schlafstörungen oder Depressionen auf.
Nicht alle Patienten nehmen das Ohrgeräusch als gleich laut und gleich belastend wahr. Innerhalb eines Tages oder zwischen den Tagen kann der Tinnitus schwanken. Forscher der Universität Regensburg und Ulm untersuchten nun ausschlaggebende Faktoren für ein Schwanken des Tinnitus. Dafür entwickelten die Wissenschaftler die Smartphone App TrackYourTinnitus, welche die Wahrnehmung von Ohrgeräuschen im Alltag dokumentiert. Die Teilnehmer füllen mehrmals täglich einen kurzen Fragebogen aus. Bisher haben bereits über 1000 Menschen an der Studie teilgenommen.
Für die kürzlich veröffentlichte Studie wurden die anonymisierten Daten von über 600 Tinnitus Betroffenen analysiert. Ziel der Forschungsarbeit war es mit Hilfe der App herausfinden, ob und welche aktuellenemotionalen Zustände dazu beitragen, dass Tinntius-Patienten die Tinnitus-Lautstärke als mehr oder weniger belastend empfinden.
Bekannt war bisher nur, dass Stress Einfluss auf Tinnitus nehmen kann. Die Wissenschaftler untersuchten jetzt zusätzlich die beiden Faktoren „Arousal“ und „Valenz“. Die Psychologie versteht unter „Arousal“ das Ausmaß der inneren Aktivierung des Nervensystems und unter „Valenz“ eine eher positive oder negative Färbung der aktuellen Stimmungslage.
In der ersten Analyse der Daten wiesen die Forscher nach, dass ein akut gesteigertes Stresserleben mit einer stärkeren Belastung durch den Tinnitus einhergeht. Die zweite Auswertung zeigte, dass auch ein höheres „Arousal“ und eine verstärkt negative „Valenz“ dazu führten, dass Betroffene die Lautstärke des Tinnitus als belastender wahrnahmen. Wenn jemand eine negativ eingefärbte Stimmung hat, führt dies zu einer höheren Belastung der Tinnitus-Lautstärke. Tinnitus wird also auch durch eine negative Gefühlslage beeinflusst.
Diese Erkenntnisse können für die therapeutische Praxis genutzt werden. Besonders Therapieansätze, welche den Wandel von negativen in positive Emotionen und den Umgang mit Stress beabsichtigen, können dazu beitragen den Leidensdruck unter Tinnitus zu verringern. Tinntius Patienten erhalten dank dieser Erkenntnisse eine neue Perspektive, sie sind der Erkrankung nicht mehr ausgeliefert, sondern haben die Möglichkeit auf die Faktoren Emotionslage und Stresslevel einzuwirken.